Sonntag, 30. Januar 2011

Euroweb trifft auf Referenzkunden vor dem BGH

Fast genau ein Jahr ist es her, dass die Firma Euroweb den Bundesgerichtshof anrief, um den Vertragstypus ihrer Internet-System-Verträge höchstrichterlich bestimmen zu lassen.

Entgegen der Argumentation der Rechtsanwaltskanzlei Berger, welche Euroweb-Group vertritt, wurden die Euroweb-Verträge vom Senat nicht als typengemischte Dienst- und Mietverträge, sondern als Werkverträge eingeordnet und lediglich die Vorleistungspflicht wurde in gewissen Grenzen zugelassen.

Zur Verhandlung:

Am vergangenen Donnerstag, dem 27.01.2011, fand die mündliche Verhandlung vor dem VII Zivilsenat des BGH unter reger Beteiligung von Referenzkunden der Euroweb-Group und deren Anwälten, sowie dem Fernsehen statt. Auch einige Mitarbeiter der Kanzlei Berger wohnten der Wahrheitsfindung bei.

Der Vorsitzende des Senats eröffnete die Verhandlung und erläuterte kurz den vorliegenden Fall, bevor er auf die zu klärenden Fragen näher einging. Ein Internet-System-Vertrag mit einer Laufzeit von 3 Jahren war geschlossen, eine Homepage von Euroweb erstellt und etwa ein halbes Jahr im www bereitgestellt worden. Der Besteller kündigte den Vertrag gemäß § 649 BGB und das LG Düsseldorf, als Berufungsgericht, bestätigte diese Kündigung, wogegen sich die Revision der Firma Euroweb richtet.

Der Vorsitzende führte weiter aus; zu klären sei die Wirksamkeit der Kündigung, bzw. ob das Kündigungsrecht nach § 649 BGB wirksam ausgeschlossen werden könne, auch über die Abrechnung nach § 649 BGB Satz 2 sei zu sprechen und hier v.a. über die Heranziehung von erbrachten oder ersparten Leistungen als Berechnungsgrundlage.

Der Vorsitzende stellte ausdrücklich fest, dass nach Meinung des Senats ein Werkvertrag vorliege und § 649 BGB grundsätzlich anwendbar sei. Der Rechtsanwalt am BGH Dr. Nasall trug für die Firma Euroweb vor und bezog sich in seinen Ausführungen auf die besondere Ausgestaltung des Internet-System-Vertrages, welche diesen als Dauerschuldverhältnis mit festgelegter Laufzeit und eben nicht als klassischen Werkvertrag erscheinen lässt. Es handele sich um ein ordentliches Kündigungsrecht, welches durch § 2 der AGB (Kündigung aus wichtigem Grund) wirksam abbedungen sei.

Eine Benachteiligung des Bestellers sei nicht gegeben, da Euroweb den Großteil der Leistungen am Beginn des Vertrages erbrächte und die Investitionskosten dann auf mehrere Jahre verteilt in Rechnung stelle.

Auf die direkte Frage des Senatsvorsitzenden nach überzeugenden Gründen, warum von der gesetzlichen Regelung des § 649 BGB im Rahmen der Internet-System-Verträge abgewichen werden solle, konnte auch Herr Dr. Nasall keinen substantiierten Vortrag beibringen.

Interessanter Weise führte Herr Dr. Nasall aus:  “Die Kunden wurden als Referenzkunden geworben, das ist unstreitig.” Der Vorsitzende rügte mit den Worten ” Sie sollten unsere Aktenkenntnis nicht unterschätzen” und zitierte aus den vorinstanzlichen Unterlagen (sinngemäß wiedergegeben) “Es wird bestritten, dass unsere Mandantin Kunden als Referenzkunden geworben hat”.

Auf der “Referenzkundenseite” erwiderte Herr Rechtsanwalt am BGH Dr. Kummer kurz und prägnant. Er führt aus, es handele sich um eine Kündigung für einen Werkvertrag, die ohne Begründung und ohne Frist ausgesprochen werden könne und auf den uralten rechtlichen Vorstellungen beruhe, die zur Grundlage des BGH wurden. Der Besteller habe ein Interesse am Werk und eben nicht der Unternehmer, dessen Interessen durch § 649 Satz 2 BGB hinreichend geschützt seien. Das freie Kündigungsrecht sei somit nicht auszuschließen und sollte sich ein Ausschluss ergeben, sei dieser unwirksam, da es der grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde. Herr Dr. Kummer führt weiter aus ; der III. Senat habe seinerzeit zur freien Kündigung nichts gesagt, wie die Klägerseite ausführe. Zur Frage der Berechnung nach § 649 Satz 2 BGB verweist Herr Dr. Kummer auf die durch die Firma Euroweb vorgenommene Unterscheidung von Kauf- und Systemkunden. Da die Leistungen unterschiedlicher Art seien, dürfe hier keine Schätzung auf Grundlage der Kalkulation für Kaufkunden erfolgen und Rückschlüsse für Systemkunden gezogen werden. Dr. Kummer betont, dass die wesentliche Leistung, die am Anfang erbracht werde gerade die kostenlose Homepage sei. Zu den ersparten Aufwendungen sei nicht ausreichend vorgetragen worden.
Herr Dr. Kummer beantragt die Revision zurückzuweisen.

Fazit:
Die mündliche Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof war eine sehr lehrreiche Erfahrung in Sachen Rechtsfindung, die dank des Senats auch für Nichtjuristen verständlich wurde.

Quellen: blogigo  und Konsumer

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